Oase der Artenvielfalt oder Giftmülldeponie?

Eppelheimer Kiesgruben mit wechselvoller Geschichte

Von Sebastian Olschewski

Grube Schleipfad 1085. Foto: NABU-Archiv
Grube Schleipfad 1085. Foto: NABU-Archiv

„Moment mal…, ich dachte, Sie schützen hier die Natur! Und jetzt sensen Sie die Brombeeren weg und fällen die Bäume?“

 

Das Röhren der Motorsense verstummt schlagartig, ein verschwitztes Gesicht schaut unter dem Schutzhelm hervor. Es ist Samstagvormittag, 11:00 Uhr und der Arbeitskreis Biotoppflege des NABU Heidelberg ist in der ehemaligen Eppelheimer Kiesgrube „Treiber“ im Einsatz. Das Visier des Schutzhelms klappt hoch und zwei wache Augen fixieren den Spaziergänger freundlich: „Ihre Fragen kann ich sehr gut verstehen, aber der Schein trügt. Was wir hier tun, ist nicht nur sinnvoll, sondern hat auch Tradition. Gerne erkläre ich Ihnen wieso…“.

Unbedachte Müllentsorgung

An eine geordnete Abfallwirtschaft und die Konsequenzen einer Entsorgung in der freien Landschaft dachten die Verantwortlichen damals nicht.

Bis in die 1950er und 60er Jahre wurden auf Teilflächen der Eppelheimer Gemarkung die eiszeitlichen Kies- und Schotterablagerungen abgebaut. Diese Abbaustätten haben eine wechselvolle Geschichte! Nach dem Ende des Rohstoffabbaus waren die „Kieslöcher“ willkommene und sehr günstige Mülldeponien: Drei Gemeinden und viele Firmen, darunter auch aus der Chemieindustrie, nutzten diese zur legalen Entsorgung ihres Mülls – von Bauschutt über Erdaushub bis hin zu Hausmüll und Chemieabfällen.


Das Ergebnis: Unzählige Giftmüllfässer schlummern im Boden und verunreinigten das Grundwasser massiv, so dass umfangreiche Sanierungsmaßnahmen vorgenommen werden mussten. Das Wasserwerk Plankstadt musste Anfang der 1980er Jahre sogar schließen, da die chemischen Verunreinigungen für die Bevölkerung bedrohliche Ausmaße annahmen.

Ersatzlebensräume und wichtige Trittsteine

Einer der künstlich angelegten Folienteiche. Foto: M. Eimers
Einer der künstlich angelegten Folienteiche. Foto: M. Eimers

Die Kiesgrube Treiber im Gewann Schleifpfad war von den Müllablagerungen glücklicherweise nicht betroffen. Relativ früh erkannten die Kurpfälzer auch den ökologischen Wert solcher aufgelassenen Abbaustätten für den Natur- und Artenschutz. Denn sie stellen wahre Oasen der Artenvielfalt innerhalb unserer oftmals übernutzten und ökologisch verarmten Kulturlandschaft dar. Besonders nährstoffarme Pionierlebensräume mit extremen standörtlichen Gegensätzen, wie sie heute kaum mehr zu finden sind, begründen den naturschutzfachlichen Wert. Sie weisen hohe Artenzahlen mit einem großen Anteil gefährdeter Pflanzen- und Tierarten auf.

 

So fühlen sich hier zum Beispiel Kreuzkröte, Ödlandschrecke und Uferschwalbe besonders wohl, die andernorts sehr selten geworden sind.

Viele Arten, die vor Jahrhunderten auf den Kiesbänken und Uferabbrüchen des unbegradigten Rheins vorkamen, finden heute die letzten Rückzugsräume in den Abbaustätten. Bedingt durch die hohe Dynamik ihrer ursprünglichen Lebensräume an Rhein und Neckar zeigen die typischen Pionierarten ein hohes Ausbreitungspotenzial und besiedeln in Kürze neu entstandene Lebensräume.


Voraussetzung ist jedoch, dass eine ausreichende Anzahl an strukturreichen Trittsteinbiotopen existiert. In unserer heutigen Landschaft übernehmen diese Funktion insbesondere ehemalige Abbaustätten wie Kies- und Sandgruben.

Sie sind daher besonders wichtige Ersatzbiotope für die seit langer Zeit verschwundenen Lebensräume entlang der großen Flüsse.

Engagement mit Tradition

Wie viele andere offene Lebensräume ist auch die ehemalige Kiesgrube Treiber auf eine dauerhafte Offenhaltung in Form von regelmäßigen Pflegemaßnahmen angewiesen.

Grube Schleipfad, Westen, 1985. Foto: NABU-Archiv
Grube Schleipfad, Westen, 1985. Foto: NABU-Archiv

Seit 1985 hat der Deutsche Bund für Vogelschutz (DBV) bzw. die daraus hervorgegangene NABU Gruppe Heidelberg das etwa 1,7 ha große Gelände und die Pflege des Biotops übernommen. Die Gruppe engagierte sich früh bei der Anlage neuer Amphibiengewässer, bei der Herstellung von Brutwänden für die Uferschwalbe und führte Umweltbildungsmaßnahmen durch. Trotz regelmäßiger aber nicht ausreichender Pflege sind große Flächen über die vergangenen Jahrzehnte mehr und mehr durch aufkommende Gehölze zugewachsen. Es hat sich zwar ein neuer Lebensraum für z. B. Gebüsch- und Baumbrüter wie Mäusebussard, Grünfink und Mönchsgrasmücke entwickelt.

Auch finden im Bestand rückläufige Arten wie Goldammer und Dorngrasmücke hier einen Brutlebensraum. Für viele gefährdete Arten der Pionierstandorte ist der Lebensraum mittlerweile jedoch ungeeignet. So verlandeten auch die Amphibienlaichgewässer zunehmend und wurden durch den Gehölzaufwuchs stark beschattet.

 

Die typischen Arten des Ersatzlebensraums Kiesgrube sind mittlerweile in weiten Teilen verschwunden. Um diesem Trend entgegenzuwirken, haben wir im Jahr 2017 größere Flächen von dichtem Brombeerbewuchs freigestellt und die Folienteiche von Sediment befreit.

 

Und wir planen in den nächsten Jahren weitere Maßnahmen: In der Diskussion sind zurzeit eine Ziegenbeweidung sowie weitere umfangreiche Pflegemaßnahmen, um den offenen Charakter mit Rohboden wiederherzustellen. Dafür werden auch Baumfällungen und das Zurückdrängen des Brombeerbewuchses notwendig werden.

 

Was auf den ersten Blick nicht wie Naturschutz aussehen mag – für Kreuzkröte und Co ist es aber überlebenswichtig!

Wir freuen uns auf Ihre Unterstützung: So können Sie aktiv werden!

  • Um den Lebensraum Kiesgrube zu erhalten, sind wir auf den Einsatz vieler helfender Hände angewiesen. Wenn Sie ein sinnvolles Fitnessprogramm mit Vogelgezwitscher an der frischen Luft suchen und gemeinsam mit Gleichgesinnten aktiv werden wollen, sind Sie bei unserem Arbeitskreis Biotoppflege genau richtig. Wir treffen uns monatlich zu gemeinsamen Aktionen.

 

Einfach eine Email an info@nabu-heidelberg.de

 

 

 

 

 

 

Letzte Aktualisierung 23.12.2018 (MP)

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