Heidelbergs Zukunft – an der Nase herumgeführt

Kommentar zum RNZ-Artikel "Der Lüge auf der Spur" vom 31.03.2021 und Aussagen der Stadt Heidelberg

NABU-AK-Umweltpolitik, Cornelia Wiethaler, 7.04.2021

Am 31.03.2021 lautet der Titel der RNZ „Der Lüge auf der Spur (RNZ, Titelseite 31.03.2021)
Falschinformationen, Gerüchte und Verschwörungsmythen verbreiten sich vor allem im Internet oft rasend schnell. Daher wird es immer wichtiger, zwischen Fakt und Fake unterscheiden zu können und zu wissen, wie sich verlässliche Informationen finden lassen.“

Dazu unser Thema „Heidelbergs Zukunft - an der Nase herumgeführt“

In der Vergangenheit hat sich Heidelberg mit seinen Aussagen und mit den städtebaulichen Maßnahmen nicht immer an die Umweltvorgaben gehalten. Im Ranking als grüne Großstadt in BW liegt sie auf dem vorletzten Platz. Ein wichtiger Schritt ist, dass die Äcker der Wolfsgärten nicht bebaut werden dürfen und deswegen im Bürgerentscheid mit „JA“ gestimmt wird!
 
Hierzu folgende Richtigstellungen zu den Aussagen der Stadt Heidelberg

Falsche Information Nr. 1: Sparsamer Flächenverbrauch in Heidelberg


Heidelberg habe den geringsten Flächenverbrauch pro Kopf, und sei damit vorbildlich sparsam, so der Heidelberger Baudezernent am 19.03.2021 und Umweltbürgermeister am 29.03.. Sie nannten öffentlich unkorrekte Zahlen zum jährlichen Flächenverbrauch in Heidelberg. Mit „nur 5-7 ha pro Jahr“ sei Heidelberg „traditionell relativ sparsam und vorbildlich“ sagte der Umweltbürgermeister am 29. März zum Thema Flächenverbrauch in seinem Interview.

 

Realistisch wurden pro Jahr 10 ha fruchtbarster Landwirtschaftsflächen zerstört (Statistisches Jahrbuch Heidelberg, Tab.103) - zusätzlich zur Bebauung von 300 ha Konversionsflächen und Bahnstadt.

Info zum 30 ha-Ziel der Bundesregierung

 

Die Bundesregierung hat sich deshalb im Rahmen der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2020, verschoben auf 2030 die Neuinanspruchnahme von Flächen für Siedlungen und Verkehr auf unter 30 Hektar pro Tag und langfristig auf Netto-Null zu verringern. Insgesamt sind die Inanspruchnahme immer neuer Flächen und die Zerstörung von Böden auf Dauer nicht vertretbar und sollten beendet werden. Angesichts global begrenzter Landwirtschaftsflächen und fruchtbarer Böden sowie der wachsenden Weltbevölkerung ist der anhaltende Flächenverbrauch mit all seinen negativen Folgen unverantwortlich. Dies gilt auch und besonders mit Rücksicht auf künftige Generationen.


Der Umweltbürgermeister sagte, Heidelberg dürfe nach dem 30ha-Ziel der Bundesregierung 20 ha/Jahr verbrauchen. Weil wir nur 5-7 ha/Jahr zerstören, seien wir „echt vorbildlich“. Nachgerechnet: bedeuten 30 ha/Tag auf die Heidelberger Bevölkerung bezogen in der Tat 20 ha/Jahr. Bezogen auf den Heidelberger Flächenanteil sind es jedoch nur 3,37 ha, die Heidelberg verbauen „dürfte“. Dieses Limit hat Heidelberg mit seinem tatsächlichen Flächenverbrauch jährlich um 200 % überschritten.


Das 30 ha-Ziel ist aber aus Sicht des Natur- und Umweltschutzes nicht tauglich. Angesichts der föderalen Freiheiten und kreativen Möglichkeiten, jeweils passende Verteilerschlüssel anzuwenden, wurden faktisch doppelt so viele Flächen zerstört und deshalb das Ziel ganz einfach verschoben. Solche Anpassungen von Umweltzielen an eine Realität, die „weiter so“ unsere Lebensgrundlagen zerstört sind Selbstbetrug, wenn man Biodiversitäts- und Klimaschutz ernst nimmt. - Im NABU-AK-Umweltpolitik gilt für wirksamen Biodiversitäts- und Klimaschutz das Ziel des minimalsten Flächenverbrauchs. Am besten sollen keine natürlichen Böden mehr versiegelt werden. Das bedeutet bauliche Entwicklungen auf bereits versiegelter Fläche. Versiegelung natürlicher Böden erfordern einen 1:1-Ausgleich, d.h. Entsiegelungen in der Nähe. Diese ist in Heidelberg nicht in Sicht. Landwirtschaftliche Flächen müssen für die regionale Ernährung erhalten werden.

Falsche Information Nr. 2: lockere Wohnbebauung auf den Wolfsgärten


Land und Stadt suggerieren mit hübschen Bildern, auf 3-4 ha könne man auf den Wolfsgärten in „lockerer Wohnbebauung mit 3-4 Geschossen“ bis zu 2000 Menschen samt Verfahrensstraße, Verkehrswegen, Freiflächen und 500 Arbeitsplätzen unterbringen. Zum Vergleich: In der Boxberg-Siedlung leben gut 4000 Menschen auf 47 ha Siedlungs- und Verkehrsfläche (ohne Wald). Man stelle sich vor, die halbe Boxberg-Bevölkerung wäre auf 4 ha, d.h. einem Zehntel der Boxberg-Fläche untergebracht! Plus 500 Arbeitsplätze. 


Realistisch ist eine sehr dichte Bebauung am Autobahnkreuz.

Falsche Information Nr. 3: günstiger Wohnraum im PHV


Die Versprechen, günstigen Wohnraum zu schaffen wurden schon in der Bahnstadt und dann in der Südstadt und Rohrbach nicht gehalten. Wir lassen uns nicht mehr mit leeren Versprechungen hinhalten. Der im Masterplan PHV vorgesehene Abriss von 73 % überwiegend bewohnbarer Mehrfamilienhäuser in bioklimatischer günstiger Lage des PHV würde genau diesen günstigen Wohnraum zerstören. Tausende Menschen könnten hier kurzfristig einziehen. Geplant sind stattdessen neue Wohnblocks auf Acker. Dort wird der Wohnraum mindestens doppelt so teuer.


Realistisch ist günstiger Wohnraum innerhalb des Bestandes. Bereits jetzt entsteht etwa die Hälfte des neuen Wohnraums in Heidelberg durch Sanierung und Ausbau im Bestand.

Falsche Information Nr. 4: Die Wolfsgärten sind der einzig mögliche Standort


Die städtischen Vertreter der Wolfsgärten-Bebauung proklamieren diese als alternativlos. Der Vertreter der Landesregierung, Andreas Schütze, betonte am 19.03. die Gebundenheit des Landes an dessen Zusage, das Ankunftszentrum in PHV nur befristet zu betreiben. Der Betrieb des Ankunftszentrums sei eine Pflichtaufgabe des Landes gegenüber dem Bund, von der es sich nicht lösen könne. Die Voraussetzung für die Verlagerung sei jedoch das Vorhandensein eines anderen Standortes. Außerhalb Heidelbergs wurde kein anderer Ort gefunden. D.h. die Voraussetzung ohne die (sine qua non) eine Verlagerung nicht stattfindet, ist nicht erfüllt. Das Ankunftszentrum im PHV zu belassen liegt nahe.
Realistisch ist ein Standort für das Ankunftszentrum innerhalb des PHV. Dieser ist möglich.

Falsche Information Nr. 5: Natur-, Umwelt- und Klimaschutz spielen eine große Rolle


Diese Aussage im städtischen Flyer zum Ankunftszentrum ist fragwürdig. Ackerböden zu versiegeln bedeutet per se erheblichen Natur-, Umwelt- und Klimaschaden. Flächen für die sogenannte 1:1-Entsiegelung sind auf der Gemarkung Heidelberg bisher nicht zu finden. Nach Kolonialherren-Art Flächen außerhalb Heidelbergs in Betracht zu ziehen, bringt für die Stadt und die hiesige Bevölkerung rein gar nichts: weder für den Natur- oder Umweltschutz noch für den Klimaschutz oder die so wichtige regionale Ernährung. Heidelberg rechnet sich für das Stadtmarketing grün.


Realistisch ist durch die Erhaltung von Ackerflächen, dem Natur- und Klimaschutz endlich eine größere Rolle beizumessen.

Falsche Information Nr. 6: PHV soll ein ökologisch wegweisender Stadtteil werden und dafür sei das NEIN erforderlich

 

Mit dem NEIN beim Bürgerentscheid stimmt man „für einen Stadtteil der Zukunft … auf PHV“, heißt es am Ende des Textes im städtischen Flyer. Die im Masterplan PHV geplante Vernichtung von etwa 30 ha Grünflächen, weiterer 18 ha Ackerfläche sowie von vorhandenem Wohnraum für 6000 Menschen kann unmöglich ökologisch zukunftsweisend sein.


Realistisch wird PHV ein ökologisch wegweisender Stadtteil, wenn die Ackerflächen erhalten und der vorhandene Wohnraum verbessert, komplett mit PV-Anlagen versehen und durch einige Holzhochhäuser ergänzt wird.

Richtig ist: Wenn Heidelberg vorbildlich sparsam im Flächenverbrauch werden will, dürfen weder die 8 ha Acker der Wolfsgärten noch 18 ha am PHV bebaut werden. Die „lockere Wohnbebauung“ für ein Ankunftszentrum lässt sich kurzfristig auf PHV realisieren, günstiger Wohnraum ist durch Verbesserungen im Bestand von PHV innerhalb der aktuellen Siedlungsfläche möglich. Hochpreisiger Neubau kann zusätzlich in Holzhochhäusern mit Fernblick entstehen. Verschiedene Standorte auch für den Neubau eines Ankunftszentrums sind in PHV denkbar. Gleichzeitig wird den Herausforderungen des Biodiversitäts- und Klimaschutzes signifikant besser Rechnung getragen, wenn die hochwertigen Grünflächen im PHV und die Äcker erhalten werden. Für einen ökologisch wegweisenden Stadtteil ist deshalb das „JA“ zum Bürgerentscheid erforderlich.

 

 

Letzte Aktualisierung: 10.04.2021 (MP)

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